Mir ist da ein Gedanke gekommen: In den meisten Fällen (ausgenommen vielleicht den Internaten in den USA) diente sich die Kirche sozusagen als Erfüllungsgehilfin bürgerlicher Gesellschaftsideen an. Es traf sich meines Empfindens nach ein (klein)bürgerlicher Konservatismus mit dem nicht minder ähnlich beschaffenen Konservatismus breiter katholischer Kreise. Diese letzteren rekrutierten ja in nicht unerheblichem Maße aus dem Dunstkreis ersterer Werthaltung. Hinzu kommt noch, dass gerade in jenen Jahren, in denen die Rekrutierung vieler involvierter Kleriker und Religioser erfolgt war, die Kirche als Arbeitgeberin durchaus eine gewisse Sicherheit im Lebensunterhalt (wenn auch nicht unbedingt den großen Reichtum) versprach und für viele auch die Hebung ihres subjektiven Lebensstandards und gesellschaftlichen Ansehens beinhaltete. Mängel an menschlicher Reife wurden geflissentlich übersehen, bzw. wurden diese nicht erkannt und benannt - ja und dann kann das Unheil schon mal seinen Lauf nehmen.
Hinzu kommt noch ein allgemein gesellschaftlich repressives System, welches über diverse Einrichtungen sozusagen einen Sichtschutz überwarf, hinter bzw. unter dem Täter einigermaßen unbehelligt ihre Opfer quälen konnten. Die Täter wurden sozusagen mit dem Nimbus der Unantastbarkeit umgeben; die Opfer waren sowieso in den Augen des gesellschaftlichen Mainstreams nicht zeugnisfähig (weil meist ja aus Milieus und Lebenssituationen kommend, die man ja mit den Heimen meinte ausmerzen zu können). Strukturell wurde das dann noch verstärkt durch mangelnde Kontrolle, null Ausbildung der Erzieher/innen, Corpsgeist im Personal, Komplizenschaft, möglicherweise auch Überarbeitung, aber auch Perspektivlosigkeit. Wenn dann noch latente Pädophilie dazukommt, wehrlose Opfer, denen man sowieso nicht glauben wird - dann war das Drama perfekt. Und in späterer Zeit - gegen Ende der 70er Jahre, als man dann schon viel von Pädagogik u.ä. wusste, auch möglicherweise schon bei einigen Verantwortungsträger ahnte, was sich eigentlich abspielte - na ja, da war dann Vertuschen angesagt und möglichst sang- und klangloser Ausstieg.
Übrigens: Für Staat und Kirche waren diese Einrichtungen unter damaliger Prämisse eine Win-Win- Situation: Die einzelnen Orden und/oder Diözesen konnten mit einigermaßen billigem Personal den Auftrag staatlicher Institutionen zur Resozialisierung damals als missraten empfundener junger Menschen zur Zufriedenheit dieser Gesellschaft (weil günstiger als solche Heime staatlich selbst führen zu müssen) ganz gutes Geld machen. Abgesehen davon, dass diese nicht selten auch unter dem Vorwand pädagogischer Formung auch noch als billige Arbeitskräfte missbraucht wurden.
Und jetzt kommt halt die Rechnung - wie immer sehr vereinfacht, in typischen Schwarz-Weiß-Kategorien - oftmals mit Ungenauigkeiten spielend: (sexueller) Missbrauch einerseits und Misshandlung andererseits (ersterer wäre auch in den 50ern ein Skandal gewesen - zweitere wäre damals sicher nicht als so schlimm gesehen worden - soll keine Entschuldigung sein, aber ein etwas mehr historisch-hermeneutischer Zugang würde dann auch wieder nicht schaden; ist nur wegen der Exaktheit der Begriffe - weil die Vereinfacher aller Coleur brachten noch immer Unglück in die Welt).
Eines scheint mir klar zu sein: Der Platz der Kirche muss unbedingt an der Seite der Armen und Kleinen stehen (wie Arm und Klein auch immer in den verschiedenen Kontexten unserer Weltkugel aussehen mag). Sie darf nie und nimmer (mehr) zur mehr oder weniger braven Erfüllungsgehilfin kleinbürgerlicher Gesellschaftsvorstellungen werden.
Vieles hätte vermieden werden können, hätte man auch damals viel mehr Wert darauf gelegt, das Evangelium zu leben, Anwalt jener zu sein, die, ausgestoßen vom Mainstream der Gesellschaft, kirchlichen Institutionen überantwortet worden waren. Aber vielleicht wird jetzt diese Botschaft begriffen - Kirche ist nicht Anwalt irgendwelcher Ordnungen sondern einzig und allein verpflichtet in der Nachfolge Jesu den Armen die frohe Botschaft zu verkünden:
Wie heißt es in Lukas 4, 14-21
14 Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend.
15 Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen.
16 So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen,
17 reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt:
18 Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
19 und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
20 Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.
21 Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.Wie habe ich es mal gelernt? Die drei Säulen die das "Gebäude" der Kirche tragen:
- Leitourgia - Liturgie - der Gottesdienst, das Gebet, das Geistliche Leben - die Verbindung mit Gott als der tragenden Mitte als einzelner Mensch und als christliche Gemeinde
- Koinonia - Gemeinschaft - das Miteinander der einzelnen Glieder der Kirche im Heiligen Geist
- Diakonia - Dienst - das Eintreten für die Schwachen und Auftreten gegen die Täter
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