Samstag, 20. November 2010

Stadt vs. Land

Nach langer, langer Zeit denk ich mir wieder mal einen Kommentar hier vom Stapel lassen zu müssen. In der letzten Zeit - denk ich mir - ist in unserem Land Österreich eigentlich von den meisten unbemerkt ein Tauziehen losgegangen zwischen Stadt und Land. Ich möchte das, was ich meine an zwei Beispielen verdeutlichen: Gesundheit und Bildung.

Beginnen wir mal mit der Gesundheit: Soweit ich es verstanden habe, monieren Gesundheitsökonomen (was es nicht alles für Experten gibt), dass in unserem Land es viel zu viele Spitalsbetten gibt usw. usf. Da wird das Zusammenlegen von Stationen eingemahnt, auf Doppelgleisigkeiten hingewiesen, immer wieder die selben Beispiele herangezogen usw. usf. um im Lande eine Art Mainstreammeinung zu forcieren, dass eigentlich unser Spitalswesen viel zu aufgebläht und ineffizient sei; ein Krankenhaus unter 300 Betten sei nicht sinnvoll zu führen ... - ich möchte mich jetzt nicht in Details verlieren (von denen ich sowieso zu wenig Ahnung habe) - ABER:

Wollen wir Menschen am Land es wirklich, dass irgendwann jede etwas schwerer erkrankte Person in irgendein Center of Excellence gebracht wird, wo ihm möglicherweise die perfekte Behandlung angediehen wird, aber kaum jemand noch auf Besuch kommt, weil man nicht unbedingt seinen Nachbarn in einem Spital besucht, dass 80 oder 100km entfernt ist? Oder noch etwas anderes:

Kapieren die sogenannten Gesundheitsökonomen eigentlich welchen ökonomischen Input ein Krankenhaus auf eine ländliche Region eigentlich hat? Ohne jetzt für Zahlen die Hand ins Feuer legen zu wollen, getraue ich mir getrost zu sagen,  dass ein Provinzspital auf den Arbeitsmarkt (und damit auf eine gesamte regionale Ökonomie) die Auswirkung hat, mindestens die Anzahl der Beschäftigten im Spital zu verdoppeln - was ich sagen will: wenn ein Krankenhaus sagen wir 250 Beschäftigte hat, werden dadurch sicher außerhalb des Krankenhauses weitere 250 Personen beschäftigt - beginnend von mir aus beim Bäcker, der das Gebäck liefert bis letztendlich zur sagen wir Lehrerin, die da ist, weil die durch die direkt und indirekt durch das Krankenhaus Beschäftigten ja möglicherweise auch Kinder haben, die zur Schule gehen. Also können wir durchaus von einem Triggereffekt ausgehen, der durch eine Institution wie ein Krankenhaus erzielt wird. Aber von solchen volkswirtschaftlichen Überlegungen, die über betriebswirtschaftliche Betrachtungen weit hinausgehen, hört man sehr wenig.

Ähnliches denke ich auch über die in den letzten Wochen angelaufene Debatte um die Schulkompetenzen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass in Wien für ganz Österreich letztlich über Schulstandorte entschieden wird - und das würde es, wenn die Rechenstiftakrobaten in den Tintenburgen fernab ländlicher Realität mit irgendwelchen Schlüsselzahlen und abstrakten Formeln festlegen würden, wieviel Geld nun ein Schüler kosten dürfe. Ich werde den Verdacht nicht los, dass ein Problem der Zentralräume zu einem allgemeinen Problem gemacht wird. Ich jedenfalls kenne aus meinem mir zugänglichen Umfeld keinen jungen Menschen, der es nicht geschafft hätte, ein einigermaßen geglücktes Leben zu haben (ja ich weiß schon, dass nicht alles Gold ist was glänzt). Und große Probleme mit Schulversagern u.ä. sind mir in den letzten Jahren auch nicht untergekommen.

Aber eines gebe ich natürlich zu: Eine Schule mit 500 Kids lässt sich möglicherweise ökonomischer führen, als eine kleine Landhauptschule mit nicht mal 100 Schüler/inne/n - wobei ich mir dann auch nicht sicher bin, ob bei einer etwas erweiterten Betrachtung nicht doch wieder die Kleinschule effektiver ist, als ein zentralisierter Bildungstempel voll mit über dutzende Kilometer in aller Herrgottsfrühe herangekarrte  Kinder. Und natürlich auch wieder der Input, der von eine kleinen Landschule ausgeht: Hebung der regionalen Wohnqualität, Sicherung so mancher Arbeitsplätze in den Kleinregionen usw. usf.

Aber interessiert das wirklich die "Citioten" - nein, wahrscheinlich verstehen die nicht mal das Problem ... - aber leider sitzen solche Leute meist in den Ministerien und deren vorgelagerten Centers of Excellence.

Also verstehen sie, p.t. Leserschaft, was ich meine mit einem Tauziehen zwischen Stadt und Land? Sollten die von den Zentralisierern mit Trommelfeuer veröffentlichte Meinung politisch die Oberhand behalten/gewinnen, dann kommt es zu einer deutlichen Verschlechterung der Lebenssituation der Menschen außerhalb von Zentren unter sagen wir 5000 Einwohnern.

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