Montag, 25. Juli 2011

Oslo Shooting 2 - Der Ruf nach den europäischen Werten

Eigenartig altmodisches Vokabular geistert wieder durch die Kommentare der Printmedien - es wird zu Besinnung auf die sogenannten Europäischen Werte aufgerufen. Immer dabei: Liberalität, Demokratie, Menschenrechte, Säkularität, Toleranz, europäische Aufklärung ... der übliche Kanon an großen Worten vergangener Epochen, die für mich aus den Federn diverser Kommentatoren geflossen ähnlich leer klingen wie katholisches Vokabular aus jenen der katholisch üblichen Verdächtigen.

Mit dieser Eingangsfeststellung möchte ich nicht grundsätzlich diese Begriffe an sich in Frage stellen, sondern die Art und Weise, wie sie in unserem gesellschaftlichen Diskurs immer mehr inhaltlich ausgehöhlt werden. Diese Begriffe bezeichnen meines Erachtens ja nicht eigentlich Werte, auf denen basierend individuelles wie auch gesellschaftliches Leben funktionieren kann - sie bilden viel mehr die Grammatik - den formalen Rahmen - für ein solches Leben.

Aber genau so wenig wie Sprache nur aus Grammatik bzw. Mathematik nur aus Operatoren bestehen kann, sowenig kann kann individuelles bzw. gesellschaftliches Leben nur auf der Basis jener großen Begriffe Liberalität, Demokratie usw. usf. bestehen. Es bedarf vielmehr einer inhaltlichen Befüllung - Vokabel, Operanden um die Bilder von Sprache und Mathematik hier weiterzuführen - um die formalen Systeme auch zu befüllen.

Inhaltlich können die gesellschaftlichen Systeme meines Erachtens nur funktionieren, wenn von einer unbedingte personalen Anerkenntnis des je Anderen ausgegangen wird. Die jüdisch-christliche Tradition spricht hier von der Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen. Gott-Ebenbildlichkeit verwende ich hier mal synonym für das Unbedingte menschlicher Existenz - jenseits jeder wie auch immer gearteter diskursiver Bestimmung menschlicher Existenz und Würde.

Das Fatale in unserer Gesellschaft ist, dass gerade letzteres in unserer Gesellschaft in Frage gestellt wird - Abtreibung und Euthanasie sind die "liberalen" Sündenfälle dieser Abwendung von der unbedingten personalen Anerkenntnis des anderen - Nationalismus, Rassismus, Kulturchauvenismus bis zur Shoa und Terror die "rechten" Sündenfälle.
... (wird fortgesetzt)

Oslo Shooting 1 - Persönlich betroffen?!

Letzte Woche war ich mit 35 Jugendlichen und 9 Erwachsenen in Rom. Am Tag der Abreise - vergangener Freitag Abend - kam ich das erste mal mit Nachrichten vom Massaker bei einem Jugendlager in der Nähe Oslos. Am Morgen darauf, noch im Liegewagen, las ich mehr davon und zu Mittag hörte ich im Mittagsjournal auf Ö1 die erste lange Reportage.
Ich war diese Stunden die ganze Zeit mit Jugendlichen im Alter von 12 - 15 Jahren zusammen - junge Menschen, die ich teilweise schon als Kleinkinder getauft habe, die ich die meisten seit Kindergartentagen und Pflichtschule her kenne; mir wird jetzt noch ganz heiß, wenn ich mir vorstelle, gerade so, wie wir zu diesem Zeitpunkt zusammen waren, käme irgendein Verrückter und würde wahllos beginnen, diese - "meine" - Kinder abzuknallen ...
... (wird fortgesetzt)

Mittwoch, 6. Juli 2011

Das hab ich schon vor Jahren gesagt ...

... und zwar am 28. November 2008 an dieser Stelle im Klartext:

Bildungsvergleiche - Rankings - und anderer Schlagzeilenunsinn

Heute wieder mal etwas im Kurier gelesen (an sich ja keine schlechte Zeitung): Keine guten Noten für Österreichs Unis - und mir geht schön langsam das sprichwörtliche "Gimpfte" auf.
Ich hatte jetzt das Vergnügen, wochenlang mit Mitschülern aller möglichen Nationen gemeinsam die Schulbank zu drücken. Nicht wenige von ihnen hatten einen Universitätsabschluss in der Tasche. Ich möchte ja jetzt nicht überheblich erscheinen, aber teilweise mangelte es den Kolleginnen und Kollegen in nicht unerheblichem Maße an Allgemeinbildung - teilweise in erschreckendem Ausmaße. Ich beginne schön langsam zu relativieren, was da an Rankings durch die Welt läuft - hier werden mehr oder weniger die Maßstäbe des angelsächsischen Bildungssystems als Guidlines herangezogen, was zu einer einseitigen Verzerrung der Ergebnisse führt.
Einmal kurz gesagt: Wenn bei uns ein Schüler mit 19 an einer HTL maturiert, steht er im Wesentlichen am selben Level wie ein amerikanischer Collegabsolvent mit 22 - mit einem Unterschied: der wird in den Statistiken als Akademiker geführt - bei uns aber nicht. Oder die berühmte Matura: im angelsächsischen System sammelt man im Wesentlichen credits - bis zum Highschoolabschluss musst du halt eine bestimmte Anzahl dieser Credits haben - überspitzt hat es eine Mutter so formuliert - wenn man es an manchen Highschools geschickt anstellt, nimmt man die meisten Credits mit Kochen, Handarbeiten, diversem Sport, möglicherweise Chearleaden - dann noch ein paar Credits in den Basics - und du hast die Highschool abgeschlossen (und nachdem jeder Nordamerikaner bis 18 an der Highschool ist, haben alle die Matura) - und die Facharbeiter werden importiert (weil bis jetzt hat man es ja nicht als notwendig empfunden, die selben auszubilden; und nebenbei haben Facharbeiter eine - sagen wir es mal so - nicht so angesehene gesellschaftliche Stellung - white colour workers are more reputable than blue colour workers and so on ...) - nur jetzt scheint man draufzukommen, dass etwas schief läuft im Lande und man beginnt, jetzt auch Handwerker gezielt auszubilden (möglicherweise verhilft das ihnen auch zu einem etwas besseren Status in der Gesellschaft).

Jedenfalls gebe ich auf dieses ganze Gejammere um das Ranking unserer Unis und unseres Bildungssystems gar nichts mehr - weil - bei aller Reformbedürftigkeit - es gehört sicher zu den besseren in der westlichen Zivilisation (allemal besser als der große Durchschnitt in der angelsächsischen Welt)

God bless you
... und jetzt steht's hier: http://news.orf.at/stories/2067235/

Stellt euch vor, alle Polizisten und Krankenpfleger/innen hätten einen Fachhochschulabschluss, alle Lehrer/innen ebenso - ei, wie da die Akademikerquote steigen würde (im Übrigen im angelsächsischen Raum ist das meiner Erfahrung nach tatsächlich so aber deswegen können die entsprechenden Arbeitskräfte auch nicht unbedingt so viel mehr UND bekommen auch nicht so viel mehr bezahlt)

Freitag, 1. Juli 2011

kleinliche Krämerseelen ...

anknüpfend an diesem und auch am bisherigen Verhalten der Politik angesichts der derzeitigen Schuldenkrise:
Wir haben die falschen Politiker - schlicht und ergreifend mehr oder weniger rückwärts gewandte Krämerseelen, die wie die vor Schreck erstarrte Maus vor der Schlange

vor dem Boulavard und den rechtsradikalen Adepten der Dummheit zittern.
Verdammt noch mal: Das Projekt Europa darf etwas kosten - vor allem wenn es etwas bringt. Anstatt andauernd sich herumzustreiten ob dieser oder jener etwas mehr oder weniger zu zahlen hat, sollten mal wieder Visionen am Tapet stehen und nicht die falsche Mentalität des Abzockens.
Ja, es geht um Abzocken. Ist schon mal aufgefallen, dass in allen Finanzangelegenheiten den entsprechenden Politikern nicht einfällt, auch nur einmal darzulegen, woran gespart werden soll, und vor allem, was das nun konkret für den einzelnen bedeutet. Es wird immer vorgegaukelt, dass es so viel an unnötigem gäbe. Aber ehrlich, liebe Leute, das mag schon im einen oder anderen Fall stimmen, aber - ist es nicht eher so, dass letzlich von der Allgemeinheit zu einigen wenigen umverteilt wird?
  • Die kleine Dorfschule: zu teuer! Weg damit! Gibt eh Schulbusse - und tägliche 25km ist doch in der heutigen mobilen Zeit 6 -15jährigen zuzumuten
  • Der Zuschuss zum Sportverein, zum Kulturverein (zahlt's doch eure Dressen und Trachten selber); 
  • das Provinzspital (fahrt's halt die Oma 50km mehr besuchen - ja und die 300 direkten oder indirekten Arbeitsplätze vor Ort - wer braucht denn die - zieht's dorthin, wo's Arbeit findet's und machts jeden Dreck, der euch zufällig geboten wird); 
  • die Agrarförderung - verdammt noch mal - die Holländer und Deutschen können auch viel billiger produzieren; wer braucht den wirklich diese Kleinlandwirtschaften - ist eh alles zu teuer, was die produzieren) 
  •  ....
Vor ein paar Wochen hat Nussbaumer in einem Kommentar in der "Furche" darüber nachgedacht, wo denn das ganze Geld hingekommen ist, welches in den 70er Jahren für das Gemeinwohl da war ... damals war der Schuldenstand um einiges geringer (ja auch unter Kreisky!) - Unter der Annahme, dass absolut und vor allem auch inflationsbereinigt, das Vermögen in unserer gesamten Volkswirtschaft um ein vielfaches höher ist als damals, stellt sich die Frage, wo das damals für die Allgemeinheit verfügbare Vermögen geblieben ist?