Sonntag, 28. November 2010

Abstimmen gegen den Rechtsstaat

Die Schweizer haben abgestimmt - automatisches Ausschaffen von verurteilten Delinquenten nach bestimmten Delikten. Nicht die Ausschaffung ist das Problem, sondern das "automatisch". Rechtsstaatlichkeit definiert sich daher, dass gerade NICHT bestimmte schwerwiegende Maßnahmen ohne konkretem rechtsstaatlichen Verfahren und vor allem Anhörung der betreffenden Person abgewickelt werden.
Im Grunde genommen halte ich schon das Abstimmen über eine Materie, wo eine (entsprechend aufgewiegelte?) Mehrheit über eine Minderheit bestimmt für äußerst bedenklich. Mit entsprechender Kampagnisierung sollte es wahrscheinlich kein Problem sein, per Plebiszit Gesetze zu ermöglichen, die alle möglichen Minderheiten in ihren Handlungsspielraum beeinträchtigen könnten - Sexverbot für Schwule, Verbot öffentlich sich religiös zu bekennen, Berufsverbote für orthodoxe Juden ... - Ich brauch mir nur im Wirtshaus anzuhören, wogegen die Leute so sind: da ist es nicht mehr weit zu den Nürnberger Rassegesetzen.
Wehret den Anfängen

Montag, 22. November 2010

Hurra - der Papst erlaubt Kondome!!!!

Also irgendwie nervt mich das ganze Getue um den "Arbeitsanzug für den Herrn in des Mannes Leibesmitte" schön langsam. Wen, außer einer Hand voll sich selbst als die einzig wahren Katholiken sich wähnende, kümmert sich wirklich noch um vatikanische Äußerungen zum Thema Sexualität und Empfängnisverhütung? Ich finde hier ist weder schaurig wohliges Skandalisieren angesagt ("der Papst fördert Aids") noch ein Hochjubeln einer im Grunde genommen hahnebüchenen Feststellung (wie es jetzt - reichlich unverstanden von der (ver)öffentlich(t)en Meinung -geschieht).

Ich bin nun sicher kein Spezialist in Sachen Moraltheologie, aber was die letzten beiden Päpste umtreibt ist die letztendlich die Frage nach der Wahrheit, und wie diese verstanden werden soll. Nicht vorgeben zu wollen, ein Experte zu sein, stelle ich mal in den Raum, dass vor allem Benedikt 16 eher stark von Platos Höhlengleichnis inspiriert zu sein scheint. Die Wahrheit liegt immer schon vor und ist grundsätzlich autonom vom Menschen erkennbar. So weit und so gut gehe ich da ja noch irgendwie mit, aber im Kirchendeutsch (oder Kirchenlatein) scheint es so zu sein, dass dem Papst auf dem Weg der Erkenntnis ein besonderer Vorsprung zugestanden wird (ordentliches und außerordentliches Lehramt - letzteres auch unter dem Begriff "Unfehlbarkeit" bekannt) - dieser Vorsprung wird aber nicht nur graduell verstanden sondern auch substantiell: sprich, der Papst stellt nicht nur etwas pointiert eine Erkenntnis zur Diskussion, sondern er beendet die Diskussion im Moment, wo er sein Lehramt wahrnimmt - dass einzige was dann noch überbleibt ist mehr oder weniger sophistisches Sprachspielen von Theologen - je abgehobener lehramtliche Verkündigung desto mehr Sophismus - bzw. unreflektiert devotes Nachbeten durch die schon oben erwähnten, sich als die einzig wahren Katholiken wähnenden.

Am liebsten wäre mir, wenn kirchliche Vertreter in den nächsten 20 Jahren sich ein Schweigen in Sachen Sexualität verordnen würden - zumindest wenn es um so praktische Dinge geht wie Kondome oder Pille. Unsere Glaubenstradition hat so großes und Wichtiges zu Ehe, Liebe und Sexualität zu sagen - ist es da notwendig, sich dann dauernd in Details zu verlieren ...?

Samstag, 20. November 2010

Stadt vs. Land

Nach langer, langer Zeit denk ich mir wieder mal einen Kommentar hier vom Stapel lassen zu müssen. In der letzten Zeit - denk ich mir - ist in unserem Land Österreich eigentlich von den meisten unbemerkt ein Tauziehen losgegangen zwischen Stadt und Land. Ich möchte das, was ich meine an zwei Beispielen verdeutlichen: Gesundheit und Bildung.

Beginnen wir mal mit der Gesundheit: Soweit ich es verstanden habe, monieren Gesundheitsökonomen (was es nicht alles für Experten gibt), dass in unserem Land es viel zu viele Spitalsbetten gibt usw. usf. Da wird das Zusammenlegen von Stationen eingemahnt, auf Doppelgleisigkeiten hingewiesen, immer wieder die selben Beispiele herangezogen usw. usf. um im Lande eine Art Mainstreammeinung zu forcieren, dass eigentlich unser Spitalswesen viel zu aufgebläht und ineffizient sei; ein Krankenhaus unter 300 Betten sei nicht sinnvoll zu führen ... - ich möchte mich jetzt nicht in Details verlieren (von denen ich sowieso zu wenig Ahnung habe) - ABER:

Wollen wir Menschen am Land es wirklich, dass irgendwann jede etwas schwerer erkrankte Person in irgendein Center of Excellence gebracht wird, wo ihm möglicherweise die perfekte Behandlung angediehen wird, aber kaum jemand noch auf Besuch kommt, weil man nicht unbedingt seinen Nachbarn in einem Spital besucht, dass 80 oder 100km entfernt ist? Oder noch etwas anderes:

Kapieren die sogenannten Gesundheitsökonomen eigentlich welchen ökonomischen Input ein Krankenhaus auf eine ländliche Region eigentlich hat? Ohne jetzt für Zahlen die Hand ins Feuer legen zu wollen, getraue ich mir getrost zu sagen,  dass ein Provinzspital auf den Arbeitsmarkt (und damit auf eine gesamte regionale Ökonomie) die Auswirkung hat, mindestens die Anzahl der Beschäftigten im Spital zu verdoppeln - was ich sagen will: wenn ein Krankenhaus sagen wir 250 Beschäftigte hat, werden dadurch sicher außerhalb des Krankenhauses weitere 250 Personen beschäftigt - beginnend von mir aus beim Bäcker, der das Gebäck liefert bis letztendlich zur sagen wir Lehrerin, die da ist, weil die durch die direkt und indirekt durch das Krankenhaus Beschäftigten ja möglicherweise auch Kinder haben, die zur Schule gehen. Also können wir durchaus von einem Triggereffekt ausgehen, der durch eine Institution wie ein Krankenhaus erzielt wird. Aber von solchen volkswirtschaftlichen Überlegungen, die über betriebswirtschaftliche Betrachtungen weit hinausgehen, hört man sehr wenig.

Ähnliches denke ich auch über die in den letzten Wochen angelaufene Debatte um die Schulkompetenzen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass in Wien für ganz Österreich letztlich über Schulstandorte entschieden wird - und das würde es, wenn die Rechenstiftakrobaten in den Tintenburgen fernab ländlicher Realität mit irgendwelchen Schlüsselzahlen und abstrakten Formeln festlegen würden, wieviel Geld nun ein Schüler kosten dürfe. Ich werde den Verdacht nicht los, dass ein Problem der Zentralräume zu einem allgemeinen Problem gemacht wird. Ich jedenfalls kenne aus meinem mir zugänglichen Umfeld keinen jungen Menschen, der es nicht geschafft hätte, ein einigermaßen geglücktes Leben zu haben (ja ich weiß schon, dass nicht alles Gold ist was glänzt). Und große Probleme mit Schulversagern u.ä. sind mir in den letzten Jahren auch nicht untergekommen.

Aber eines gebe ich natürlich zu: Eine Schule mit 500 Kids lässt sich möglicherweise ökonomischer führen, als eine kleine Landhauptschule mit nicht mal 100 Schüler/inne/n - wobei ich mir dann auch nicht sicher bin, ob bei einer etwas erweiterten Betrachtung nicht doch wieder die Kleinschule effektiver ist, als ein zentralisierter Bildungstempel voll mit über dutzende Kilometer in aller Herrgottsfrühe herangekarrte  Kinder. Und natürlich auch wieder der Input, der von eine kleinen Landschule ausgeht: Hebung der regionalen Wohnqualität, Sicherung so mancher Arbeitsplätze in den Kleinregionen usw. usf.

Aber interessiert das wirklich die "Citioten" - nein, wahrscheinlich verstehen die nicht mal das Problem ... - aber leider sitzen solche Leute meist in den Ministerien und deren vorgelagerten Centers of Excellence.

Also verstehen sie, p.t. Leserschaft, was ich meine mit einem Tauziehen zwischen Stadt und Land? Sollten die von den Zentralisierern mit Trommelfeuer veröffentlichte Meinung politisch die Oberhand behalten/gewinnen, dann kommt es zu einer deutlichen Verschlechterung der Lebenssituation der Menschen außerhalb von Zentren unter sagen wir 5000 Einwohnern.