Donnerstag, 5. März 2009

Zur aktuellen Bildungsdebatte 4. Teil

Eigentlich wollte ich nur 3 Teile schreiben, aber ich füge jetzt doch noch einen dritten Teil dazu. Grundsätzlich werde ich mir jetzt nicht unnötigerweise die Finger verbrennen, indem ich mich auf die Seite der Ministerin stelle; auf Seiten aller an der - im weitesten Sinne - "Bildungsdebatte" (es geht ja nicht wirklich um Bildung der kommenden Generation, sondern um das Durchsetzen spezifischer Patikularinteressen) sind ganz massive Mängel an Diskussionskultur festzustellen.
Aber ein paar Gedankenfetzen möchte ich doch noch hier vom Stapel lassen (obwohl ich annehme, dass der Leserkreis dieses Blogs ein sehr überschaubarer sein dürfte.

  1. Aus beständiger Negation kann nichts positives erwachsen!
    Diesen Gedanken habe ich schon zu einer anderen Thematik angesprochen. Auch in der gesamten Schulpolitik dürfte er aber zutreffen. Aus eigener mittelbarer Erfahrung weiß ich, wie ermüdend das andauernde Kämpfen um Mittel sein kann - man hat eine gute Idee, will sie durchsetzen - aber von übergeordneter Stelle bekommt man nur Prügel zwischen die Beine geworfen.
    Es dürfte die fantasielose Attitüde der Politiken der letzten 15 Jahre sein (ganz egal von welcher Coleur auch immer kommend), mit dem Argument, sparen zu müssen, jeden kreativen Ansatz von Gestaltung im Keim zu ersticken. Ministerin Gehrer hat dies leider sehr lange zur Freude diverser Finanzminister exekutiert - die Früchte werden seit Jahren geerntet.

    Aber dieser Satz trifft natürlich in gleicher Weise die durch eine mächtige Gewerkschaft vertretene Lehrerschaft. Ich möchte anmerken, dass hiermit nicht einzelne Lehrer/innen gemeint sind - sondern das durch ihre gewählten Sprecher vermittelte Bild in der Öffentlichkeit. Außer dem, mit beständiger Regelmäßigkeit zelebrierten Ritual des Aufjaulens ist eigentlich kaum ein konstruktiver Beitrag in der Öffentlichkeit wahrzunehmen. Ein Verhalten, dass entgegen dem ersten Eindruck sogar letztlich paradoxerweise ihre Machtlosigkeit befördert und die mögliche gesellschaftliche Relevanz der Lehrer untergräbt.
    Was mich zum zweiten Punkt bringt:

  2. Warum wird die Rede von Reform - öffentlich wahrgenommen - so massiv von Außenstehenden dominiert?
    Ob es nun den Betroffenen passt oder nicht - Bildungspolitik wird von allen möglichen gemacht, nur nicht von den Lehrer(gewerkschaften). Da tritt ein rühriger Unternehmensberater schon über ein Jahr als Schulombudsmann auf, der Generalsekretär der Industriellenvereinigung gibt auch schon mal seinen Senf dazu und ja dann kommt dann möglicherweise auch noch der Wirtschaftsbund (warum sich die AK und die Landwirtschaftskammer noch nicht gerührt haben???). Nur wenn es um die INHALTLICHE Reform der Bildung geht, da hört man eigentlich von jenen, die eigentlich anführen sollten, am wenigsten - zumindest mal öffentlich. Natürlich kenne ich jede Menge Lehrerinnen und Lehrer, die sehr wohl auch inhaltlich etwas zu sagen hätten, aber die bleiben seltsamerweise so gut wie immer ungehört.

    Ich denke, dass anstatt des massiven Bestemms der Lehrergewerkschaften gegen die zwei Stunden, die Energie besser genutzt wäre, mit Vorschlägen zu einer wirklichen Verbesserung des Unterrichts letztlich die Ministerin zu überrumpeln. Aber so wie jetzt geschehen, waren die Reaktionen aller Beteiligten doch wieder so berechenbar, dass sich jetzt mal nichts rühren wird, die Lehrer/innen dank der gewerkschaftlichen Tätigkeit weiter in der öffentlichen Wahrnehmung marginalisiert werden, und bezüglich der Bildung wieder nichts weitergeht.

  3. Was abgeht, ist eine genauere Bestimmung des Begriffes Bildung!
    Ich muss natürlich zugeben, dass ich als Maturant eines humanistischen Gymnasiums (Englisch, Latein, Altgriechisch und auch sonst ein bunter Fächermix) einer immer mehr verschwindenden Spezies angehöre, für die Bildung an sich noch etwas bedeutet. Bildung ist für mich nicht einfach Erwerb von Wissen zu einem bestimmten Zweck (und war es auch als Jugendlicher nicht). Ich habe mich immer gefragt, was mich interessiert, und nicht, was ich werden möchte (oder vielleicht sogar werden kann). Ich hätte keine Probleme als Hilfsarbeiter irgendwo zu arbeiten und würde mich noch immer freuen, dass ich in meinem Leben so vieles lernen konnte und auch weiterhin lerne. Dieses Erlernte hat möglicherweise die Eigenschaft, streng wirtschaftlich betrachtet, nutzlos zu sein, ermöglicht mir aber selber, in der Auseinandersetzung mit möglichst vielen Inhalten - welche auch immer - von mal zu mal tiefer und weiter in alle möglichen Bereiche der Wirklichkeit vorzudringen, meine Erkenntnis wachsen zu lassen. Das mache ich für mich selbst, ist Selbstzweck und nicht auf ein Wozu hingeordnet.

    In der heutigen Zeit aber kommt solcherlei, auf Weite und Breite angelegte Bildung immer mehr ab bzw. reduziert sich auf den möglichst effizienten Erwerb von gerade benötigtem Wissen - und dabei meine ich wirklich nicht nur akademisches Wissen - das beginnt beim Verschwindenlassen alter Handwerkstechniken und endet möglicherweise bei angehenden Kulturmanagern, deren inhaltliche Grundlage ihrer Arbeit möglicherweise irgendein gut gemachter Ausstellungskatalog und ein Buchhaltungskurs bei der Wifi sind. Wenn man das dann alles dort auf Englisch lernt und noch ein paar Sachen der Menge nach hinzukommen, nennt man das dann Fachhochschule bzw. Bakkalaureat und die dazu gehörende scheinbare Studienreform Bologna-Prozess, dessen inoffizielles Motto sein könnte: Wie lasse ich die alte Universität Humboldt´schen Geistes verschwinden und ersetze Studium durch möglichst ökonomieverträgliches Heranzüchten akademischen Proletariats, damit wir nach angelsächsischem Muster 50% "Akademiker" haben - in Nordamerika ist glaube ich jeder Akademiker - bei uns sagen sie gerade mal Maturanten dazu (und um die Polemik fortzusetzen - wenn ich schon mal angefangen habe - bei nicht wenigen High-School-Absolventen mit 18 möchte ich nicht wetten, dass so manche unserer besseren Hauptschüler mit 14 es mit ihnen aufnehmen könnten - zumindest in so manchen Realien wie Geschichte, Geographie u.ä. - aber in den Statistiken werden High-School-Absolventen meines Wissens mit unseren Maturanten gleichgesetzt - das nur zu den leidigen Rankings).

    Aber wie gesagt, diese Art von Diskussion wird nicht geführt, weil die Zurufer von meist ökonomischen Interessen geleitet sind, und jene, die vielleicht dazu alternatives beitragen könnten, kaum sich Gehör verschaffen können, weil deren gewählte Gewerkschaftvertreter es grundsätzlich vorziehen den shortcut in die Herzen der Wähler zu nehmen und der führt nun mal übers Geld und über die Arbeitszeit.

  4. Ich vermisse bei den Diskussionen eine ganz große Gruppe von Schüler/innen!
    Und zwar jene, die mit braven Erfolgen ihre Hauptschulzeit absolvieren, die eine klare Vorstellung von ihrem Leben und ihrem Beruf haben, die sich freuen eine Facharbeiterausbildung zu bekommen; die nicht den ganzen Tag in der Schule sitzen wollen, die ihre ganz natürlichen Wickel mit so manchen Lehrer haben - ja und in einer kleinen Hauptschule am Land sitzen.

    Die kommen im derzeitigen System unter die Räder; für die interessiert sich kein Salcher (weil für den beginnt die Welt sowieso erst irgendwo mit der Matura) und vielleicht gerade irgendwie noch die IV und die WKÖ - weil Facharbeiter kann man immer brauchen. Bei den jeweiligen Unterrichtsministern der Vergangenheit und Gegenwart aber existieren sie überhaupt nicht und die ganze Schulpolitik und ihre Administration pfeift sowieso auf die Kleinen am Land.
Wie schon oben angedeutet, sollen das hier mal nur Gedankenfetzen sein - alles in allem unvollständig und sicher kein fertiges System - aber ich denke, so ganz ohne jene Anfragen kann die Diskussion eigentlich nicht sinnvoll geführt werden - und da ich mal annehmen, dass diese Anfragen nicht zur Sprache kommen, könnt ihr euch denken, wie sinnvoll ich die derzeitige Schulpolitik finde ....
God bless you

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