Mittwoch, 13. Mai 2009

Menschenbild - Schuldebatte ...

In Ebensee haben Jugendliche in verwerflichster Weise Opfer der Nazidiktatur während einer Gedenkfeier heruntergemacht
  • Und schon wird nach vermehrter "Aufklärung" gerufen.

Gestern habe ich auf Bayern 2 eine Sendung über verschiedene Lernmethoden gehört.

  • Wenn man den Referenten, Professoren und anderen so zuhört, könnte man meinen, es läge nur an der richtigen Form des Lernens, um aus jedem einen Nobelpreisträger/in, und wenn schon nicht, wenigstens einen Universitätsprofessor/in zu machen.
Und nimmt man noch viele andere Beiträge her, die, wohl zu verschiedenen Themen, indirekt doch immer wieder davon ausgehen, dass es nur an der richtigen Vermittlung jedweden Inhaltes gehe, damit sich was ändere, dann könnte man glatt meinen, dass die richtige Schulreform mit den richtigen Themen auf einem Schlag (oder zumindest in einer Generation) alle Probleme die es auf der Welt gibt, gelöst wären.

Als kurz auf den Punkt gebracht: Salcher und Pisa-Haider retten moderiert von Bildungsministerin Schmid die Welt.

Was ich aber immer wieder bei dieser Art von Diskussion ist folgendes: Der/die Schüler/in wird sozusagen als ein Modellobjekt begriffen, an dem nur in idealer Weise herumgebastelt werden müsse, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Ja - der/die Schüler/in wird mechanistisch verstanden. Früher nannte man das den "Nürnberger Trichter"

Ich möchte nun nicht abstreiten, dass Reform in vielerlei Hinsicht nötig ist - nein im Gegenteil, aber mir fehlt im Ernst, den/die Schüler/in in ihren konkreten Lebensfeldern wahrzunehmen. Und da gibt es mal welche, die wollen schlicht und ergreifend nicht an diversen Unterrichtspielchen teilnehmen. Es ist schon faszinierend, dass man wahrscheinlich nur etwas länger in jeder Schule stehen müsste, und sei sie noch so modernst strukturiert, um nicht wenige Schüler/innen jammern zu hören: "Na - net schon wida der Schaß - I mog heit net Partnerarbeit - i mog schlofn - oder mit meina Nochbarin trotschn ..."

Es kann einfach ein paar Leuten in wissenschaftlich-pädagogischen Instituten partout nicht zu Bewusstsein kommen, bzw. wirklich begriffen werden, dass es nun mal eine nicht geringe Anzahl von Kindern und Jugendlichen gibt, die nicht länger beschult werden möchten als notwendig (und sei diese Beschulung noch so reformpädagogisch). Ich habe nicht wenige ehemalige Schüler vor Augen, die wahrlich nicht schlecht in der Schule, mit 15 konkrete Berufsentscheidungen getroffen haben, und die ihren Beruf mit Freude und sehr erfolgreich gelernt haben und ihn auch ausüben. Hätte man diese - wie im angelsächsischen System üblich - bis zum 18. Lebensjahr irgendwie im System gehalten, ich weiß nicht, ob das gut gegangen wäre. Jedenfalls dachte ich mir nicht selten, wenn ich mit Schülern zwischen 15 und 18 in Nordamerika indirekt in Kontakt kam, was die denn in der Schule suchen (die Körpersprache zeugte so etwas von Lustlosigkeit und Langeweile) - die gehörten auf einen Lehrplatz und in den Arbeitsprozess (gut, da es diese Art von dualer Ausbildung scheinbar nur in Österreich gibt, ist das keine Option - und ehrlicherweise, so viel habe ich mitbekommen - vom handwerklicher Expertise kann hier im Großen und Ganzen eher nicht die Rede sein - Ausnahme: Emigranten aus Europa v.a. Österreich und Deutschland).

Mir kommt vor, als ginge es darum, aus einem bestehenden "Schülermaterial" einen möglichst hohen Output an Akademikern zu produzieren, um endlich in diversen (scheinbar) internationalen Rankings, die sich allesamt methodisch dem angelsächsisch-utiliaristischen Bildungsideal verpflichtet sehen, mithalten zu können. Bei allen Lippenbekenntnissen zur Individualisierung (halte ich im Munde diverser Experten und Bildungspolitikern für Leersätze), wird doch der einzelne Schüler, die einzelne Schülergruppe, die einzelnen Schule NICHT ernst- und wahrgenommen. Würde/n sie das nämlich, dann würde es gar keiner großen Reformen bedürfen - dann wären die unmittelbar Betroffenen die eigentlichen Subjekte der Reform - sogar die Experten hätten dann eine ganz große Aufgabe: diese vielen kleinteiligen Prozesse zu begleiten, zu moderieren und wenn notwendig zu akkordieren. Und die Ministerin: na, wenn sie geschickt wäre, würde sie sich statt mit den zerzauste Federn einer ebenso beschaffenen Strukturreform mit der glänzenden Krone einer Bildungsreform schmücken, mit der sie möglicherweise die erste Unterrichtministerin wäre, die auch von den "untersten Rängen" ihres Ressorts geachtet würde. Nur, und da bin ich auch davon überzeugt, Freundin des Finanzministers würde sie dabei wahrscheinlich nicht sein - aber sie ist ja nicht mal von der selben Partei - also könnte es ja wurscht sein. Die Sympathie auch schwarzer Bürgermeister würde sie allemal haben.

Noch sozusagen als Nachtrag: Gerade Hauptschulklassen vor Augen: Hahnenkämpfe, Geschlechterkampf, erste Verliebtheit, Weltschmerz, Liebeskummer, plumpe Anmache, Selbstzweifel, strenger Geruch im Klassenzimmer (v.a. nach Turnunterricht der Burschen), nicht gemachte Aufgaben, andauerndes Ausloten von Grenzen, prinzipielle Opposition, Ausprobieren von Alkohol und Nikotin (im besten Falle versteckt, weil man als Schüler wirklich noch ernste Konsequenzen fürchtet) usw. usf. - was soll es, DAS sind neben allem Gequassel von Reformdidaktik und ebensolcher Pädagogik die Wirklichkeiten des Alltags in der Sekundarstufe, mit dem haben Lehrer/innen - Schüler/innen - Eltern zu hantieren (wie schon die vergangenen Generationen auch). Und die beste Pädagogik in diesem Zusammenhang ist schlicht: gernhaben und ernstnehmen. Das andere ist dann Zugabe, die irgendwie fast von alleine kommt, wenn das eben genannte stimmt.

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