Freitag, 29. Mai 2009

Was bedeutet für mich wählen gehen?

Gerhard - jetzt reiß dich zusammen und versuche nur POSITIV zu formulieren.

Ich gehe wählen, um jener politischen Partei meine Stimme zu geben, deren politische Ziele für die kommende Legislaturperiode mit meinen eigenen Zielen am meisten übereinstimmt. Dabei ist mir klar, dass die Aufgabe eines Abgeordneten, welcher Körperschaft auch immer, nicht darin besteht, meine privaten Interessen möglichst gut zu repräsentieren, sondern ich verlasse mich darauf, dass jene Ideen und Visionen des Politikers bzw. seiner Partei verfolgt werden, mit denen ich mich auch identifiziere und die der Grund waren, die Partei oder den betreffenden Politiker zu wählen.

Im Zuge der Wahlkampfberichterstattung fällt mir auf, dass die meisten wahlwerbenden Politiker (Ausnahmen gibt es, aber die sind nicht in der ersten Reihe) meinen im europäischen Parlament irgendwelche als "österreichisch" bezeichneten Interessen verteidigen zu müssen. Das mag für Abgeordnete noch in irgendeiner Weise zutreffen - sicher nicht aber für Komissare - die, obwohl von den Mitgliedstaaten entsandt, nun von ihrer Postenbeschreibung her KEINE wie auch immer gearteten NATIONALE Interessen zu vertreten haben, weil sie als Komissare mit entsprechendem Portfolio der ganzen Europäischen Union verpflichtet sind.

Ist es wirklich so schwer zu begreifen, dass ein Parlament nicht in erster Linie dazu da ist, Einzel- und Gruppenegoismen - meist recht lautstark - sich gegenseitig um die Ohren zu schlagen. Vielmehr sollen in sachlich profundem Diskurs - im Rahmen der Kompetenzen der jeweiligen legislativen Körperschaft - Regeln und Wege beschlossen werden, die sich letztlich dem Wohl einer möglichst großen Anzahl von Menschen verpflichtet wissen. Keineswegs darf es dabei zu wie immer gearteten Verletzungen der Menschenwürde kommen.

Leider scheint aber gerade in Österreich noch immer eine Art "Klientenhaltung" vorzuherrschen. Wohl bin ich jetzt knapp 11 Monate außer Landes, ich nehme aber mal an, dass sich nicht viel daran geändert hat: Der/Die Österreicher/in fragt noch immer allzugerne im Zusammenhang von Wahlen, was denn der/die Mandatar/in bzw. deren jeweilige Partei FÜR MICH/UNS gemacht hat. Und fatalerweise spielen der/die Mandatar/inn/e/n allzugerne mit. Ist es wirklich so schwer zu begreifen, dass man nicht den Ombudsmann einer Tageszeitung, oder, wenn man es etwas niveauvoller haben will (Stadler gehört ja Gott sei Dank dieser Einrichtung ja nicht mehr an), Volksanwälte, sondern Abgeordnete zu diversen Parlamenten wählt.

So erwarte ich mir von Gemeinderäten, dass sie das Wohl der Gemeinde im Sinne haben, von Landtagsabgeordneten, das des Bundeslandes, von Nationalratsabgeordneten das Wohl Österreichs und von Europaabgeordneten das Wohl der Europäischen Union - immer unter der Vorgabe der Wahrung der unverückbaren Würde aller Menschen und der verfassungsmäßigen Grundrechte.

Dass natürlich oft individuelle Interessenslagen bei diversen Entscheidungen mit im Spiel sind, ist natürlich nicht zu leugnen; und oftmals ist es gar nicht leicht für einen einzelnen, individuelle Interessen und den Blick auf's Ganze auseinanderzuhalten. Das soll auch so sein. wir leben in keinem Paradies und werden uns auch keines schaffen.

Um so mehr sollten wir alle uns vor jenen hüten, die vorgeben, die Lösung auf alle Probleme in ihrer Hosentasche zu haben ... Wir hatten das ja schon einmal - da war dann von Endlösung die Rede. Und wo das hingeführt hat, das brauche ich wohl keinem zu erklären.

Aber das alles ist ja nichts neues - mit ein wenig humanistischer Bildung kann man ja folgendes im Internet finden: ist von Cicero:
Cicero, pro Sestio 100]
Maioribus praesidiis et copiis oppugnatur res publica quam defenditur, propterea quod audaces homines et perditi nutu impelluntur et ipsi etiam sponte sua contra rem publicam incitantur; boni nescio quo modo tardiores sunt et principiis rerum neglectis ad extremum ipsa denique necessitate excitantur, ita ut non numquam cunctatione ac tarditate, dum otium volunt etiam sine dignitate retinere, ipsi utrumque amittant. Propugnatores autem rei publicae qui esse voluerunt, si leviores sunt, desciscunt, si timidiores, desunt: permanent illi soli atque omnia rei publicae causa perferunt, qui sunt tales, qualis pater tuus, M. Scaure, fuit, qui a C. Graccho usque ad Q. Varium seditionis omnibus restitit, quem numquam ulla vis, ullae minae, ulla invidia labefecit.

Der Staat wird mit größeren Bollwerken und Truppen bestürmt als verteidigt, da verwegene und verruchte Menschen durch eine kleine Geste und sogar auf eigene Veranlassung gegen den Staat aufgebracht werden; die anständigen Bürger sind auf irgendeine Art träger, kümmern sich nicht um die Anfänge politischen Unheils und werden schließlich erst durch die Unausweichlichkeit selbst aufgerüttelt, so dass sie selbst manchmal durch ihr Zögern und durch ihre Trägheit, während sie sogar unter Verlust ihres Ansehens die Ruhe behalten wollen, beides verlieren. Diejenigen aber, welche die Vorkämpfer des Staates sein wollen, bleiben sich nicht treu, wenn sie zu leichtfertig sind; wenn sie zu ängstlich sind, lassen sie den Staat von vornherein im Stich: nur diejenigen halten durch und nehmen alles um des Staates willen hin, die von der Art sind, von der dein Vater, Marcus Scaurus, war, der allen Aufrührern von Gaius Gracchus bis hin zu Quintus Varius Widerstand leistete, den niemals irgendeine Gewalthandlung, irgendwelche Drohungen, irgendeine Anfeindung ins Wanken brachte.
oder wie heißt es bei Ovid: Principiis obsta - Wehret den Anfängen

Ich glaube das Cicero-Zitat sollte man der ÖVP schicken ...

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