Sonntag, 9. Jänner 2011

Was ist Gerechtigkeit

Ein paar Splitter meiner heutigen Predigt:
  • Gerechtigkeit: ein schillernder Begriff; der Bundeskanzler fordert Steuergerechtigkeit angesichts der "Aufräumarbeiten" zur Wirtschaftskrise - die Verursacher sollen zahlen. Nur wer ist denn Verursacher? Die Häuselkäufer in Amerika, die mit kreativen Finanzierungsvorschlägen kleiner Bankangestellter sich ihren Lebenstraum erfüllen wollten, oder die Fondsmanager, die die Gelder der privaten Pensionsfonds möglichst ertragreich anlegen sollen, die Finanzminister die Interesse hatten, auch nicht realisierte Buchgewinne zu versteuern und dafür den Firmen gestattete auch fiktive Werte als Aktiva anzugeben ... - jedenfalls komplizierter als so manches kolportierte Schlagwort.

    Oder: Wer hat noch nicht über Ungerechtigkeit geklagt? Die Kinder motzen über ungerechte Lehrer und nicht wenige Erwachsene werden nicht müde über erlittenes Unrecht zu klagen. Meist läuft es aber darauf hinaus, dass als ungerecht bezeichnet wird, das was gerade mir nicht recht ist. Über so manches Privileg, von dem man selbst profitiert klagen die Wenigsten, wenn es auch andere als ungerecht empfinden mögen.
  • Gibt es überhaupt Gerechtigkeit? So eine wirklich objektive, reine, neutrale Gerechtigkeit, die wir im Diskurs als ein vor uns liegende Wahrheit entdecken können - eine Gerechtigkeit, die aber immer schon, wenn auch verborgen, vorliegt? Möglicherweise, wenn man es so haben will, eine göttliche Gerechtigkeit als ein Etwas?

    Das möchte ich hier mal so verneinen: Es gibt keine absolut stehende, in sich ruhende wahre Gerechtigkeit.
  • Gerechtigkeit ist ein personales Geschehen: Gerechtigkeit kann nur in gegenseitigem Respekt und im unbedingten Anerkennen des anderen auf gleicher Augenhöhe geschehen. Sobald in irgendeiner Form ein Gefälle zwischen den Partnern, Neid, Anspruchsdenken Raum greift, wird Gerechtigkeit zerstört. Dann geht es nur noch um den Abtausch mehr oder weniger großer Gemeinheiten; dann wird Gerechtigkeit reduziert auf das Aushandeln gegenseitigen gesellschaftlichen Minimalkonsenses. Was letztlich zerstörerisch und zersetzend auf menschliches Zusammenleben wirkt.
     
  • Gerechtigkeit Gottes: Die Gerechtigkeit Gottes, von der heute in der AT Lesung und im Evangelium die Rede ist, vollzieht sich im Hören auf das Wort Gottes. Gerade im Evangelium fällt auf, dass Jesus und Johannes in einem Dialog der Gerechtigkeit Gottes genügen wollen. Wobei Gerechtigkeit Gottes sich gerade im Tun des Willens Gottes erfüllt. An die Lesung anknüpfend ist zu bemerken, dass Gerechtigkeit Gottes geradezu jeglicher Gewalt abschwört (bricht nicht das geknickte Rohr, löscht den glimmenden Docht nicht aus) - vielmehr sucht "der Gerechte" sozusagen auch mit dem Unvollständigen und Unfertigen im Dialog zu bleiben.
  • So folgt für uns: Gerechtigkeit geschieht gerade dort, wo Menschen sich in Wertschätzung, Achtung, Respekt und Anerkenntnis der jeweiligen Lebenswirklichkeit begegnen.

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