Dienstag, 28. April 2009

Ich weiß nicht, ob das wer verfolgt hat ...

... aber am vergangenen Sonntag gab es in der Stadt Berlin ein Volksbegehren zur Wiedereinführung des obligaten konfessionellen Religionsunterrichtes als zusätzliches Alternativangebot zum verpflichtenden Ethikunterricht. Dazu einmal die Ausgangslage (soweit ich sie verstanden habe und vor allem in Kürze)
Die Rot - Rote Koalition in der Stadtregierung Berlins hat vor 3 Jahren einen allgemein verpflichtenden Ethikunterricht anstatt des konfessionellen Religionsunterrichtes eingeführt - der konfessionelle Religionsunterricht bleibt als zusätzlich wählbares Freifach als Angebot an den Schulen.
Nun haben die anerkannten Religionsgemeinschaften in Berlin ein Volksbegehren zur Wiedereinführung des obligaten Religionsunterrichtes als Alternative zum verpflichtenden Ethikunterricht initiiert. Zur Verdeutlichung: es geht darum, dass für Schüler mit entsprechendem Bekenntnis der Religionsunterricht regulär während der normalen Unterrichtszeit angeboten wird unbeschadet des Rechtes, sich von diesem abmelden zu können, um am Ethikunterricht teilzunehmen.
Jedenfalls ist dieses Volksbegehren gescheitert - einerseits am Quorum an sich (zu wenige Teilnehmer) und auch innerhalb des Quorums wurden die Initianden knapp, aber doch, geschlagen.
Das aber nur einmal sozusagen als Aufhänger. Was mich viel mehr interessiert ist die grundlegende Frage:
Ist es möglich, eine Ethik zu unterrichten, ohne auf weltanschauliche Wurzeln zurückgreifen zu können? - Das ist ja die Idee dieses scheinaufklärerischen Gedankens: Dass ethisches Handeln sozusagen "wertneutral" vermittelt werden kann - sozusagen als eine Metareligion - eine Überreligion.
Ich möchte jetzt hier sicher nicht versuchen, eine Art allgemein gültige Grundlegung der Ethik niederzuschreiben, aber ein paar Eckpfeiler möchte ich einfach zur Diskussion stellen.

A) Auf welchen Grundlagen kann eine weltanschaulich neutrale Ethik aufbauen?
Na, da könnte man mal mit dem kategorischen Imperativ Kants beginnen: Handle immer so, dass die Maxime deines Handelns Grundlage allgemein menschlicher Gesetzgebung sein kann (oder so ähnlich). Das hört sich mal gut (und vor allem recht gescheit an) - könnte man aber auch formulieren: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg´ auch keinem ander´n zu! - Kommt einmal auf das selbe raus und findet sich in allen möglichen Varianten (auch in der Hl. Schrift) eigentlich in fast jedem Kulturkreis. Aber der Hasenfuß liegt wie so oft im Detail: Was ist nämlich menschlich? Und schon der Begriff Menschlichkeit erfährt in anderen Kulturen schon eine andere Auslegung. Der Hasenfuß ist, dass sich hier der Mensch in seiner zeitlichen und geschichtlichen Gewordenheit selbst zum Maßstab macht. Damit kann man in den meisten Fällen ganz gut leben, aber gerade in unseren Tagen, erfährt die Definition des Menschen massive Anfragen: Genmanipulation, Abtreibung, Euthanasie - das sind alles Begriffe, die uns eigentlich wachrütteln müssten. Hier beginnt schleichend die Manipulation des Begriffes menschlich (im Sinne, wie er im kategorischen Imperativ gebraucht wird).
Auch wird in eben diesem Zuge des selbst bestimmten Menschen, die Würde des Menschen zum Objekt des Selbstbestimmten - und wer kann im Zuge der möglicherweise demokratisch legitimierten Selbstbestimmung verhindern, dass die Selbstbestimmer bestimmen, wer nun würdig ist, selbst zu bestimmen? Ich weiß schon - ich sollte lieber Englisch üben, als mein Deutsch an die Grenzen des gerade noch Aussagbaren zu führen. Eines wird aber deutlich: eine Ethik, die sich krampfhaft aus sich selbst heraus zu bestimmen sucht, ohne sich bewusst zu sein, dass es ihr letztlich an jener Begründung fehlt, die sich außerhalb ihrer selbst findet, läuft selbst Gefahr jener Versuchung zum Totalitarismus zu erliegen, gegen den sie eigentlich anzutreten sucht.

B) konfessioneller Religionsunterricht und säkular vermittelter Ethikunterricht als jeweils alternative Angebote an den Schulen

Auch hierzulande, in der Alpenrepublik, gab und gibt es immer wieder Diskussionen zur Einführung eines obligaten Ethikunterrichts für jene Schüler, die entscheiden, sich vom konfessionellen Religionsunterricht abzumelden. Ich könnte dafür ganz gute Gründe finden, wenn auch klar sein müsste, worin nun diese "Ethik" bestehen sollte. Zum einen halte ich schon mal den Begriff "Ethik" als Alternative zu "Religion" äußerst bedenklich, weil er Religion selbst zu einer Art Ethik degradiert. Das mag nun natürlich in einem Land, das, obwohl schon über 200 Jahre vorbei, noch immer so etwas wie einen josephinistischen Geist in sich birgt, verständlich sein, aber verkürzt in gerade dieser - josephinistischen Denkweise - Sinn und Wesen des Phänomens "Religion" auf "Garant sittlichen Handelns".
So gesehen kann man nun dem Fach "Religion" (welcher Konfession auch immer) höchstens ein Fach: "Philosophisch-Geistesgeschichtlich begründete Lebenskunde mit Übungen zur praktischen ethischen Entscheidungsfindung" als möglicherweise ähnliche Lebensbereiche abdeckend zur Seite stellen (wie das in der Volksschule auszusehen hat - da können schon ein paar Leute mal nachdenken *lol*).
Und es bliebe noch immer das grundsätzliche Problem, dass die weltanschaulich neutrale Körperschaft selber zur Weltanschauung wird, ohne sich dessen bewusst zu sein ... - typische Katze-sich-selbst-in-den-Schwanz-beiß-Situation ...

possibly to be continued

1 Kommentar:

Quax hat gesagt…

In Berlin war Religionsunterricht seit dem 2. Weltkrieg immer freiwilliges Zusatzfach. Der Ethikunterricht wurde als Pflichtfach dem normalen Fächerkanon zugefügt. Am Status des Religionsunterrichts hat sich nichts geändert.

Kants kategorischer Imperativ geht über "Was Du nicht..." hinaus, denken Sie nur an Sadomasochisten.

"Philosophisch-Geistesgeschichtlich begründete Lebenskunde mit Übungen...": Ungefähr das wird in Berlin versucht, auch mit Religionskunde.

Das Anliegen PRO RELI ist in meinen Augen aus mehreren Gründen so deutlich baden gegangen.
1. PRO RELI hat sich in seiner Kampagne, um es mal euphemistisch zu formulieren, nicht an die 10 Gebote gehalten.
2. wollten sie den verpflichtenden Reli-/Ethikunterricht versetzungsrelevant ab der 1. Klasse einführen. Ethik ist zur Zeit nicht versetzungsrelevant und wird nur von der 7. bis zur 10. Klasse erteilt.
3. sollten die Schüler nach Konfessionen/Atheisten getrennt werden.
Ich hab` mit Nein gestimmt, weil ich Antitheist bin, aber einige meiner FreundInnen haben sich auch bei CHRISTEN PRO ETHIK engagiert.
Religion wird halt in Berlin eher als Privatsache angesehen. Gott sei Dank.
MfG