Donnerstag, 5. Februar 2009

Hierarchie in der Kirche - 1. Teil

"Die Kirche muss demokratischer werden!" contra "Über Wahrheit kann man nicht abstimmen!" - ach, wie ich diese Platitüden liebe. Sie befreien den jeweilig sie Aussprechenden im Wesentlichen vom Weiterdenken. Der Erfolg bei den jeweiligen Anhängern ist einem sicher.

Ich denke vielmehr, dass beide Sätze in irgendeiner Weise richtig sind und eigentlich gerade in den ersten Jahrhunderten der Kirche auch vom Inhalt her so gehandhabt wurden (wenn auch sicher keiner der alten Kirchenväter wahrscheinlich mit dem heute so offensichtlich scheinbaren Antagonismus etwas anzufangen gewusst hätte).

"Über Wahrheit kann man nicht abstimmen"

Natürlich kann man über Wahrheit nicht abstimmen aber man kann auch nicht eine Wahrheit gegen das mehrheitlich anders denkende (Kirchen)Volk durchboxen.

Eine Wahrheit muss für mich einen großen Anteil an unmittelbarer Evidenz haben - was nicht heißen soll, dass nur wahr ist, was unmittelbar jedem einleuchtet. Aber letztlich sollte Wahrheit doch als solche von jedermann erkannt und zumindest ihrer inneren Logik nach akzeptiert werden können (vor allem ohne Rückgriff auf das heutzutage nicht mehr brauchbare Autoritätsargument - es wird nichts dadurch wahr, weil es durch eine wie auch immer legitimierte Autorität verkündet wird).

Darum denke ich, dass mit dem Begriff "Wahrheit" gerade kirchlicherseits sehr vorsichtig umgegangen werden muss. Man kann nicht für jede Aussage - auf welcher Ebene auch immer getätigt, ob im Vatikan, an Theologischen Fakultäten oder von mir aus in Bildungshäusern und Pfarrbüros oder auch Internetblogs *ggg* - den Begriff Wahrheit beanspruchen (um dann möglicherweise seine eigenen Steckenpferde zu reiten oder Privatmeinungen zu verkünden). Im Gegenteil: mangels der oben angeführten Evidenz und Akzeptanz kommt es bei wiederholtem Auftreten des eben angeführten Verhaltens zu einer immer mehr sich vergrößernden Diskrepanz zwischen natürlicher und formal zugewiesener Autorität.

Und gerade dieser Sachverhalt scheint mir letztlich unter anderen eine nicht unwesentliche Ursache der großen Verwerfungen zu sein, der sich die römisch katholische Kirche in den letzten beiden Jahrzehnten ausgesetzt sieht. Ich halte die sehr häufig in letzter Zeit anzutreffende Rechtfertigung diverser Maßnahmen unter Rückgriff auf das Argument der formalen Autorität als sehr deutliches Zeichen für den Verlust an natürlicher Autorität vieler kirchlicher Amtsträger.

Letztlich gilt für mich: Wahrheit ist Wahrheit auch ohne Etikett - und wenn etwas falsch ist, dann macht es das Etikett auch nicht wahr.

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