Samstag, 28. Februar 2009

Zur aktuellen Bildungsdebatte 2. Teil

Nach dem gestrigen - zugegebenermaßen eher spekulativen - Beitrag, möchte ich heute mir ein wenig Gedanken zum Begriff Bildung an sich machen - und möchte gleich vorwegnehmen, dass ich hier nicht beanspruchen möchte, restlos, bis in alle Facetten gehend, im Besitze der allein selig machenden Antwort zu sein.

Bei den vielen Diskussionen in den letzten Jahren (oder sind es Jahrzehnte) über das Bildungsthema, wird die Bildung selber als Thema außer acht gelassen. Wohl wird mit Regelmäßigkeit seit der Erstellung regelmäßiger so genannter PISA-Studien über fehlendes Wissen der Schüler geklagt, aber die Diskussion bleibt in, meiner Meinung nach, erschreckender Weise ziemlich an der Oberfläche. Es wird das mangelnde Lesevermögen der Kinder und Jugendlichen be- und nahezu im gleichen Atemzug die Lehrer bzw. die Schule als System angeklagt. Ähnlich der Anzahl der nationalen Teamchefs im Fußball, tritt eine schier unüberschaubare Anzahl an Bildungsexperten aller möglichen Quellberufen entstammend mit ihrer Expertise auf. Dann kommen noch Mr. No (Fritz Neugebauer) und seine Paladine hinzu und schon ist die Sache wieder mal ordentlich am Kochen, der Kurier steigert seine Auflage, die Journalisten freuen sich über Pausenfüller, die Politiker über ein Thema, über das sich vortrefflich streiten lässt - weil - ja jeder in diesem Land Experte ist.

Die einzigen, die da immer ungeschoren bleiben, sind einerseits die Schüler (deren Vertretung geflissentlich die Opferrolle spielt) und andererseits die Eltern; aber auch Gesellschaft und Wirtschaft bleiben irgendwie ungeschoren.

Aber jetzt genug der Polemik - in Medias Res:

Was soll Bildung leisten?

Ich glaube, dass es einen ganz massiven Unterschied zwischen Bildung und Wissenserwerb gibt. Wissenserwerb hat für mich den Beigeschmack der Zielgerichtetheit. Das heißt: in erster Linie steht im Vordergrund, jene Fertigkeiten zu erwerben, die gerade zur Bewältigung eines bestimmten Zieles erforderlich sind. Und hier kann man sich fragen, was die Ziele sind, und wer sie festlegt. Ich persönlich hege den Verdacht, dass die PISA-Studien methodisch ihren Focus auf Wissenserwerb bzw. auf dessen Methoden legt. Was ja nicht unbedingt mal schlecht sein muss.

Die Kernfrage des mit dem Begriff Wissenserwerb verknüpften Lernens ist: Wozu? Und wenn die Antwort auf dieses "Wozu" eher eng gefasst ist, dann wird auch das Lernen von Seiten des Lernenden eher eng gefasst werden (das einzige, was dann daneben noch Platz hat, ist möglicherweise irgendein Spezialinteresse - Fussballergebnisse z.B.). Und dann soll man als Lehrer z.B. einem Mädchen Physik nahebringen, welches mit 12 beschlossen hat, Friseurin zu werden und in der 4. Kl. HS schon weiß, wo sie ein Jahr später als Lehrling beginnen kann. Ich wage mal so viel zu behaupten: Sie wird nur noch dafür lernen, sich nicht das Zeugnis zu verhauen. "Interessieren tuat mi nix, aber ich lerne für die 100 Punkte beim Test!" - direkt oder indirekt geistert diese Haltung immer wieder durch die Klassenzimmer.

Demgegenüber möchte ich den Begriff Bildung stellen. Bildung fragt nicht nach dem Zweck, sondern ist das Streben des Menschen nach dem Schönen und Wahren - ich weiß, das klingt jetzt mal etwas pathetisch. Bildung fragt nach dem, wie es in Goethes Faust I im ersten Aufzug heißt:
... Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält ...
auch wenn Faust nach Goethe an der Aufgabe mal scheitert, alles Wissen zu können und sich darum der Magie zuwendet - aber sagen wir mal so, davon scheint mir der Mehrzahl der Bevölkerung nicht unmittelbar betroffen zu sein ;-))
Richtige Bildung ist sich selber Ziel. Natürlich kann kein Mensch alles wissen, aber neben der nötigen Spezialisierung in einem Feld - sei es nun diverse handwerkliche Fertigkeiten oder spezifisches Wissen - zum Zwecke einer erfüllten Berufsausübung, bedarf es der Ergänzung durch eine fragende Grundhaltung und Offenheit gegenüber den Dingen des Lebens und eigentlich der Welt im Allgemeinen, wie und wo immer sie dem Menschen begegnen.

Diese Art von Bildung ist für mich auch eine Art Impfung gegen jede Art von Totalitarismus und Intoleranz (Ausnahmen bestätigen die Regel ... ich weiß schon Goebbels war gebildet u.u.u. - aber der war ja oben, und dessen schlechter Charakter wurde ja gerade von Massen hochgespült, die es damals möglicherweise nicht besser wissen konnten), die meiner Meinung nach immun macht, auf die Vereinfacher in Medien, Politik und nicht selten auch Religion reinzufallen, die allenthalben versuchen, durch Schüren von Ängsten für sich Kleingeld zu machen. Eine umfassende Bildung verhält sich normalerweise indirekt proportional zur Manipulierbarkeit.

Wobei ich ganz deutlich feststellen möchte, dass Bildung nicht gleichzusetzen ist mit Schulabschlüssen - man glaubt gar nicht, wie viele ungebildete Akademiker es geben mag (die nämlich außer ihrem Gebiet für gar nichts anderes Interesse zeigen und auch nicht viel mehr wissen in den meisten anderen Bereichen als ein durchschnittlicher Hauptschüler in der 2. Klasse, der vielleicht hin und wieder mal in eine Zeitung hineinschaut) und wie viele Handwerker und Vertreter anderer Berufe es gibt, die versuchen vielen Dingen gemäß ihren Möglichkeiten auf den Grund zu gehen und im Laufe der Zeit große Weisheit erlangen (womit ich jetzt versehentlich wieder einen Begriff eingeführt habe - aber den möchte ich jetzt nicht weiterarbeiten) .

Um diese Art von Bildung, die ich als das eigentliche Ziel jeder Unterrichtstätgiekeit auffasse, zu ermöglichen, bedarf es in erster Linie nicht einer neuen Schulorganisation (so gut sie auch sein mag) - dazu bedarf es in erster Linie Eltern, die die Erziehung ihres Nachwuchses wieder selber in die Hand nehmen und die sich diese nicht von der Glotze oder dem Computer aus der Hand nehmen lassen. Es bedarf wieder Eltern, die ihre Kinder motivieren, Bildung und Wissen als positives Gut an sich zu sehen, und nicht nur in Bezug auf mögliche Karrieren, wie immer die auch aussehen mögen.

Es bedarf aber auch einer Gesellschaft, die in ihren Angeboten sich auch wieder bewusst wird, dass Bildung nicht nur sich auf die Schule beschränkt, sondern gerade für Kinder überall geschehen müsste. Hier stellt sich die Frage, was wird heute medial geboten und transportiert, nicht mehr hinterfragt - konkret, ist es wirklich notwendig, rund um die Uhr billige japanische Zeichentrickserien und kitschig-süssliche amerikanische Soaps über den Äther zu schicken, auf dass die Gehirne der Kleinen (und nicht weniger "Großer") so richtig zugekleistert werden. Da könnte man noch weiter fragen - aber das würde hier den schon gesprengten Rahmen endgültig überziehen

Ein kleines Beispiel zu Bildung als Selbstzweck: Ein Schulkollege von mir arbeitet jetzt in der Agrarmarkaufsicht, hat daheim eine kleine Landwirtschaft mit Weinbau. Aber er hat mit mir maturiert, hat Latein und Altgriechisch gelernt und ist noch immer froh darüber, als Jugendlicher Einblick ermöglicht bekommen zu haben in die Grundlagen unserer Kultur und Gesellschaft - und ich weiß auch, um den Gedanken der Manipulierbarkeit in diesem Zusammenhang auch kurz zu exemplifizieren, dass er sicher nicht anfällig ist auf die vereinfachenden Sudereien eines Wiener Zahntechnikers, den es, aus welchen Gründen auch immer, an die Spitze einer politischen Bewegung geschwemmt hat, deren ideengeschichtliches Unterfutter eigentlich seit 64 Jahren auf dem Misthaufen der Geschichte verrottet sein sollte.

To be continued

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